Rauchen, Mietrecht, Verbote – Wir klären auf
Rauchen im Mietrecht bzw. in der Mietwohnung – ein leidiges Thema, welches immer wieder zu Streit zwischen den rauchenden und nicht rauchenden Mietparteien von Mehrfamilienhäusern führt. In Bahn, Flugzeug und Büro ist das Rauchen nur in den gekennzeichneten Raucherbereichen gestattet. Doch wie sieht es in der Mietwohnung aus? Dürfen Raucher in ihren eigenen vier Wänden tun, was sie wollen? Und wie steht es mit Entlüften und Rauchen auf dem Balkon?
„My home is my castle“ ist die landläufige Umschreibung dafür, dass man als Mieter davon überzeugt ist, innerhalb seiner vier Wände tun und lassen zu können, was man will. Auch in Bezug auf das Rauchen. Der Bundesgerichtshof hatte vor Jahren das Rauchen noch als normale Nutzung der Wohnung erklärt (BGH Aktenzeichen VIII ZR 124/05).
Doch die deutsche Rechtsprechung hat sich mit dem Bewusstsein um die gesundheitlichen Gefahren des Passivrauchens in Fragen des Verhältnisses von Rauchern und Nichtrauchern nachhaltig verändert. Jetzt stehen sich somit zwei Grundrechte gegenüber: Das persönliche Freiheitsrecht des rauchenden Mieters und das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Nachbarn, das durch das Passivrauchen in Gefahr gerät.
Rauchen in der Mietwohnung: Die aktuelle Rechtslage
Wenn starkes Rauchen in der Wohnung oder auf dem Balkon zu einer Belästigung der anderen Mieter führt, kann es zu Auseinandersetzungen kommen. Die belästigten Mieter können unter bestimmten Umständen die Miete mindern oder die Wohnung fristlos kündigen. Die Höhe der Mietminderung oder die Möglichkeit der Kündigung hängen vom Einzelfall ab. Dabei kommt es auf folgende Faktoren an:
- wie stark die Beeinträchtigung ist
- wie lange die Beeinträchtigung dauert
Zu den bisher akzeptierten Fällen für eine Mietminderung gehören beispielsweise bauliche Mängel, die dafür sorgen, dass der Rauch unnötig stark zum Nachbarn zieht oder eine Geruchsbelästigung, die so stark ist, dass Nachbarn die Fenster gar nicht mehr öffnen können (z.B. LG Hamburg, Aktenzeichen 311 S 91/10).
Zieht jedoch nur gelegentlich ein wenig Rauch durch die geöffneten Fenster in die benachbarte Wohnung, sei eine Mietminderung nicht möglich ( LG Berlin,Az.: 63 S 470/08).
Vermieter, die diesen Konflikten aus dem Weg gehen möchten, haben das Recht, potentielle Mieter zu fragen, ob sie Raucher sind und entsprechend ihre Wohnung zu vermieten. Auf die Frage muss wahrheitsgemäß geantwortet werden, ungefragt mitteilen müssen die Bewerber ihre Rauchgewohnheiten aber nicht.
Bezüglich der Frage, ob ein Rauchverbot wirksam vereinbart werden kann, sind sich die Gerichte bisher nicht einig. Dabei zeichnet sich folgende Tendenz ab: Ein vorformuliertes, pauschales Verbot im Mietvertrag ist unwirksam und muss nicht eingehalten werden. Individuelle Vereinbarungen, welche die Häufigkeit sowie bestimmte Räume oder Zeiten betreffen, müssen eingehalten werden. Die Nichteinhaltung kann zur Kündigung führen.
Ein weiterer Grund für Vermieter, das Rauchen des Mieters in der Mietwohnung abzulehnen, sind die Spuren, die das Nikotin in der Wohnung hinterlassen kann. Verfärbte Fensterrahmen und gelbe Tapeten sowie der Zigarettengeruch ziehen oft erhebliche Schönheitsreparaturen nach sich. Für diese muss in jedem Fall der Mieter haften. Die meisten Folgen des Rauchens lassen sich durch Farbe und Tapete beseitigen, in vielen Fällen bleiben jedoch Spuren zurück und der Vermieter bleibt auf der "verrauchten" Wohnung sitzen.
Dazu kommt noch: Zu Schönheitsreparaturen ist der rauchende Mieter lediglich nach den allgemeinen Regeln verpflichtet. Ist er zur Durchführung von Schönheitsreparaturen nicht verpflichtet, muss er auch die Nikotinspuren nicht beseitigen. In diesem Fall entsprechen solche Folgen bzw. Nutzungsspuren dem vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung und der Vermieter hat kein Recht auf Schadenersatz oder die Verrechnung mit der Mietkaution bei Nichtbeseitigung. Dies hat auch der Bundesgerichtshof so gesehen, vgl. Entscheidung vom 28.6.2006, Aktenzeichen VIII ZR 124/05.
Der Fall um Rentner Friedhelm Adolfs
Das Amtsgericht Düsseldorf verhandelte 2013 die Klage eines Mieters, der wegen seines starken Rauchens von der Vermieterin gekündigt wurde. Der damals 74-Jährige wohnte bereits seit 40 Jahren in der Mietwohnung und rauchte täglich um die 20 Zigaretten. Hiervon fühlten sich die Nachbarn belästigt und beschwerten sich bei der Vermieterin. Diese sagte aus, sie habe den Mieter erfolglos abgemahnt und ihm dann gekündigt. Adolfs habe zudem nicht nur über die Fenster, sondern auch in den Hausflur entlüftet. Der Mieter hielt dagegen, dass seine Wohnung in lukrative Gewerberäume umgewandelt werden solle und man ihn deswegen loswerden wolle. Die Prozesskostenhilfe wurde mangels Erfolgsaussicht übrigens abgelehnt.
Raucherprozess – Das erste Urteil
Das erste Urteil bestätigte, dass die Vermieterin aufgrund des Rauches den Mietvertrag kündigen dürfe. Dies sei aber nur gegeben, da der Rauch auch in den Flur zog. Unbeeinträchtigt davon sei das Recht des Einzelnen, in seiner Wohnung zu rauchen ( AG Düsseldorf, Az.: 24 C 1355/13). Rechtskräftig wurde das Urteil nicht. Es erfolgte eine Revision vor dem Düsseldorfer Landgericht.
Raucherprozess – Die Revision
In zweiter Instanz bestätigte das Düsseldorfer Landgericht die Kündigung der Vermietung von Friedhelm Adolfs. Grundsätzlich sei zwar nichts gegen das Rauchen in der Wohnung einzuwenden, sehr wohl aber, wenn durch den fortwährenden Qualm die Nachbarschaft in Mitleidenschaft gezogen werde.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Nikotin-Fan einen schwerwiegenden Pflichtverstoß begangen habe, indem er selbst keinerlei Maßnahmen ergriffen habe, die Geruchsbelästigung zu unterbinden. Ganz im Gegenteil: Aschenbecher habe er nicht geleert und auch wenn es ums Lüften der Wohnung ging, sei er äußerst nachlässig, was dazu führe, dass der Rauch sich seinen Weg ins Treppenhaus bahne und somit zu einer Belästigung der Mitbewohner führe.
Kann bald jeder Raucher gekündigt werden? Adolfs Verteidiger, Martin Lauppe-Assmann, befürchtete jedenfalls, dass ein solches Urteil Eigentümern den Weg für verhaltensbedingte Räumungsklagen freimache. Andere sind der Meinung, dass die Durchsetzung der Kündigung zwingend erforderlich gewesen sei. Schließlich störe Adolfs mit seinem Rauch den Hausfrieden.
Der rauchende Rentner möchte sich mit dem Urteil allerdings nicht abfinden und die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision in Anspruch nehmen.
Raucherprozess – Neuverhandlung vor dem Bundesgerichtshof
Bis zum Bundesgerichtshof (BGH) musste Friedhelm Adolfs schließlich ziehen, um seine Rechte geltend machen zu können. Der Fall um die fristlose Kündigung seines Mietvertrags musste neu verhandelt werden. Der Rentner durfte vorerst in seiner Wohnung bleiben. Und weiter rauchen.
Der Grund: Der BGH erklärte die fristlose Kündigung wegen zu viel Qualm im Treppenhaus für unwirksam. In seinem Urteil verwarf der Bundesgerichtshof die vorangegangenen Gerichtsentscheide und verlangte vom Landgericht Düsseldorf (LG) aufgrund von Verfahrensfehlern eine Neuverhandlung des Streits zwischen dem Raucher und seiner Vermieterin. So bemängelte der BGH, dass das LG Düsseldorf in seinem Urteil die Sachlage nicht ausreichend aufgeklärt habe. Über die Urteilsbegründung des Gerichts, dass Adolfs nicht ausreichend lüfte und auch die Aschenbecher nicht häufig genug leere, sodass Qualm und Gestank in den Hausflur ziehen können, zeigte sich das BGH mehr als verwundert. Es sei „ein Rätsel“, sagte die vorsitzende Richterin der BGH-Kammer, wie das LG Düsseldorf in seinem Urteil zu solch einer Erkenntnis kommen konnte, ohne dass es einen Ortstermin, ausführliche Schadstoffmessungen und weitere Zeugenaussagen veranlasst habe.
Raucherprozess – Eine Ohrfeige für die Gerichte
An dieser Stelle wird dieser eher skurrile Einzelfall um Raucher Adolfs grundsätzlich. Es geht nämlich nicht um die vordergründige Frage, ob man grundsätzlich als Mieter in seinen vier Wänden so viel rauchen darf, wie man möchte, oder nicht. Die persönliche Freiheit, dies zu tun, wurde nämlich zu keiner Zeit und von keiner Seite bestritten. Sie bedurfte auch nicht einer Bestätigung durch den BGH.
Vielmehr geht es bei der bundesgerichtlichen „Ohrfeige“ für das LG Düsseldorf um die grundsätzliche Frage, welche Beweisführung für die Durchsetzung einer fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses als notwendig erachtet wird. Vor allem dann, wenn durch das Ausleben persönlicher Freiheiten eines Mieters andere mittelbar in Mitleidenschaft gezogen werden.
Dabei ist es ohne weitere Bedeutung, ob es sich bei der Belästigung um Zigarettenqualm oder jede andere vorstellbare Form der Einschränkung des Wohlbefindens von Hausbewohnern handelt. Wichtig ist nur, dass das BGH-Urteil für die Zukunft von deutschen Gerichten verlangt, mit großer Sorgfalt bei der Objektivierung einer Belästigungssituation vorzugehen, wenn sie über die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses mit eben dieser Begründung zu urteilen haben. Es ist dem BGH zufolge unerlässlich, Ortstermine, Gutachten und ausführliche Zeugenbefragungen zur Grundlage solcher Urteile zu machen. Aus Mietersicht lässt sich also hoffen, dass in Zukunft Begründungen für eine fristlose Kündigung durch Vermieter entsprechend sorgfältig formuliert zu sein haben. Die vom BGH ausdrücklich verlangte Beweisführung wird vorgeschobenen Kündigungsbegründungen weitgehend die Basis entziehen.
Die vorsitzende BGH-Richterin Karin Milger riet jedoch auch zu Wahrung der Verhältnismäßigkeit: Die Beteiligten des Falls sollten sich überlegen, ob der Rechtsstreit ohne einen weiteren Prozess beendet werden könne. Man müsse schließlich „die Kirche auch im Dorf lassen“
Raucherprozess – Und wie ging es jetzt aus?
Raucher Adolfs gewinnt den spektakulären und medienwirksamen Rechtsstreit und darf weiter in seiner Wohnung wohnen und rauchen. Das Düsseldorfer Landgericht musste, wie vom BGH angeordnet, den Fall neu verhandeln. Hierbei sah das Gericht diesmal keine ausreichenden Beweise dafür, dass Adolfs mit seinem Zigarettenqualm den Hausfrieden gravierend gestört habe. Eine Revision wurde nicht zugelassen (Az.: 23 S 18/15).
Raucherprozess – Was sagen die Deutschen?
Der Großteil der Bundesbürger (77 Prozent) ist der Ansicht, dass Rauchen in der Wohnung auch weiterhin erlaubt sein solle. Auch Nichtraucher sprechen sich gegen ein Verbot aus, so eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov. Auf öffentlichen Plätzen wird das Rauchen ebenso befürwortet, im Restaurant fühlen sich dagegen schon viele von Rauchern am Nachbartisch gestört.
Rauchen auf dem Balkon
Mit einem vielbeachteten Urteil regelt der Bundesgerichtshofs das Verhältnis zwischen Rauchern und Nichtrauchern neu und entscheidet letztinstanzlich zugunsten von Nichtrauchern. Rauchen auf dem Balkon eines Mehrfamilienhauses ist demnach nicht länger uneingeschränkt zulässig. Nichtrauchende Mieter, die sich durch einen auf dem Balkon rauchenden Nachbarn gestört fühlen, können durchsetzen, dass dieser das Rauchen in bestimmten Zeitabständen unterlässt ( BGH V ZR 110/14).
Bislang galt Folgendes: Da der Balkon mit zur Wohnung gehört, ist auch hier das Rauchen erlaubt, entschieden zuvor die Amtsgerichte Bonn (Az.: 6 C 510/98) und Wennigsen (Az.: 9 C 156/01). Nachbarn, die durch aufsteigenden Rauch belästigt werden, haben in der Regel keinen Unterlassungsanspruch gegen Raucher. Das gilt auch, wenn Mieter am offenen Fenster rauchen und die Zigarettengerüche in die Wohnung darüber ziehen (Az.: AG Hamburg 102 e II368/00).
Rauchen auf dem Balkon – Der konkrete Fall
Die Mieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Brandenburg hatten gegen ihren rauchenden Nachbarn geklagt. Die Nichtraucher wohnen im ersten Stockwerk. Der Raucher, der für sein Laster regelmäßig den Balkon aufsucht, wohnt direkt unter ihnen. Die Kläger fühlten sich durch den aufsteigenden Rauch gestört und wollten durchsetzen, dass ihrem Nachbarn wenigstens stundenweise das Rauchen auf dem Balkon untersagt wird. Dagegen legte dieser Widerspruch ein; das ganze Verfahren landete schließlich zur endgültigen Entscheidung beim BGH.
Rauchen auf dem Balkon – Die grundlegende Neuregelung
Das Bundesgericht hat in seinem Urteil eingeschränkt, dass ein Abwehranspruch für den Nichtraucher nur dann besteht, wenn die mit dem Rauchen des Nachbarn verbundene Beeinträchtigungen objektiv als wesentlich zu werten sind. Sind die Beeinträchtigungen lediglich als unwesentliche Geruchsbelästigung zu werten, kommt der Abwehranspruch allerdings immer noch in Betracht, wenn auch wirklich Gesundheitsgefahren für die nichtrauchenden Nachbarn drohen. Ist dies gegeben, und zu diesem Schluss kam der BGH im konkreten Fall, dann sieht das Gericht einen begründeten Anspruch auf eine zeitliche Übereinkunft zwischen Rauchern und Nichtrauchern.
Das ist in der deutschen Rechtsprechung wesentlich neu, denn es bedeutet konkret, dass Nichtraucher nun einen bisher nicht vorhandenen rechtlichen Anspruch darauf haben, dass Zeiten festgelegt werden, in denen sie ihren Balkon uneingeschränkt von der Rauchbelästigung des Nachbarn nutzen können. Das umfassende Bestimmungsrecht des rauchenden Mieters über seinen Wohnraum, zu dem der Balkon nach allen früheren Urteilen auch gehört, wird damit erstmals letztinstanzlich eingeschränkt.
Allerdings muss es laut dem Urteil des BGH im Gegenzug zu einer solchen Reglementierung für den Raucher auch Zeitabschnitte geben, in denen er seinen Balkon fürs Rauchen nutzen kann. Ein generelles Verbot kommt nicht in Frage. Wie genau so eine zeitliche Regelung aussehen könnte, hat das Urteil offen gelassen. Die Richter sprechen nur davon, dass es auf den jeweiligen Einzelfall ankomme.
Einfach gesagt bedeutet das Urteil, dass Nichtraucher nun einen klagbaren Anspruch auf rauchfreie Balkonzeit haben und Raucher im Gegenzug auf Zeiten, in denen sie rauchen dürfen. Wie genau dieser Anspruch geregelt werden könnte, muss individuell festgelegt und gegebenenfalls vor Gericht neu verhandelt werden.
Von Katharina Abejon-Perez | Letzte Aktualisierung: 14. November 2016
Kategorie: Mietrecht, Mieterrechte